Erst mal galt es heute, die ganzen Eindrücke vom gestrigen Tag zu bewältigen und einzuordnen. Fühlt sich an, als hätte man gleich drei Tage auf einmal erlebt. Nachdem Mittwoch die Hängung unsererseits erledigt war und wir die schlimmsten Pizzen der Welt gegessen hatten (eine mit Gyros/Tzatziki) wodurch uns furchtbar schlecht war (ja, selbst Schuld, aber Herr Preuß hat Übelkeit mit Schnaps kuriert), erreichte mich abends der Anruf, die Bücher seien hübsch und würden Samstag in Hütte angeliefert. Gefühl irgendwie ungut. Freitag dann der entsprechende Anruf, Bücher hätten sich wieder gewellt und seien nicht fertig zur Eröffnung.
Liebe Kirsten, ich hoffte sehr, als Überbringerin der schlechten Nachrichten nicht geköpft zu werden. Da Du ja aber bist wie Du bist wolltest Du vor allem erst mal was Süßes; was ging eigentlich in Dir vor? Dann haben wir Bücher geföhnt mit zwei hübschen, kleinen schwarzen Föhnen, manche wurden besser, andere gar nicht und Herr Zilmann hat's nicht gemerkt und meinte, wir sollten die ruhig so verkaufen. Ich wollte auch männlich damit umgehen und seinem Rat folgen, Du aber hast Dich – zum Glück – am nächsten Tag auf der Fahrt dagegen entschieden: Offensiv damit umgehen und das Buch für einen Fünfer verkaufen, trotz Welle, dafür aber mit Skizze und Signatur, das wolltest Du. Wenn man genau darüber nachdenkt wäre also in diesem Fall männlich, pokern und es drauf ankommen lassen; positiv formuliert. Oder aber diese vielleicht sogar beneidenswerte Haltung: Ich hab was gemacht, also muss es ja toll sein, und das bisschen Welle macht da rein gar nichts! Der negative Aspekt dabei ist der „Betrug“. Weiblich ist dann erst mal das grämen und an sich selbst zweifeln, denn sicher ist es nur schiefgegangen, weil frau selbst irgendwas vermurkst hat. Weiblich ist aber auch, eine schöne Lösung mit der Skizze zu finden. Hätten sich an diesem Tag das Männliche und Weibliche vereint, wären die Bücher wohl zum Preis von 25€ als Sonderauflage mit Signatur, Welle und Skizze angeboten worden.
Was schiefgehen kann, geht weiter schief: Tanjas Autoh hatte auf dem Weg seinen Geist aufgegeben, also konnte sie nicht zur Eröffnung kommen. Petra war die Nacht davor eingeladen, einen Kerl zu besuchen, der dann eingeschlafen war und sie vor geschlossener Tür stehen ließ. Angeblich machen das die Sonnenstürme. Immerhin sind wir nicht in Fangschleuse ausgesetzt worden, wie zunächst im lachenden Wahnsinn befürchtet. Schon die Hinfahrt war, trotz mulmigen Gefühls wegen was auch immer ne prima Sause. Erste Bahn kam 15 Minuten später, sollten wir die nehmen? Was aber mit den anderen? Also reguläre Bahn genommen, Thilo und Susanne saßen schon drin, wir mit Klaus, Martina, Astrid und Stephan dazu, am Alex Helene und kurz vor FFO tauchte dann auch Herr Zilman auf, der seine Frau immer noch nicht gefunden hatte, die aber zum Glück in FFO am Bahnhofauftauchte. Ab in den SEV-Bus nach Eisenhüttenstadt, wo schon Herr Preuß am Bahnhof ungeduldig wartete. NIEMAND wollte mit ihm Auto fahren, erst recht nicht unser ältester Mitreisender, also sind Klaus und ich mit, die anderen zu Fuß. Wie viele waren wir eigentlich? 17? Herr Preuß hat uns im Museumshof erst die Geschichten zu den dort stehenden Skulpturen erzählt, bis sich ein Herr von der Presse euphorisch auf Klaus stürzte, um ihm seine Bewunderung mitzuteilen, alles eben sehr männlich dominiert; Kirsten, Dich hat er nicht mehr interviewt. Dann letzte organisatorische Dinge wie Ansichtsexemplare(Bücher, gewellt) aufhängen, Reden (Klaus und ich) und Musik zweier polnischer Musiker, irgendwie nett. Hätte gern einen lässigeren Umgang mit mir und den Reden, ob das Übungssache ist? Dann Deine zauberhafte Erklärung zur Buchmisere und Signier- bzw. Malstunde. Die Anwesenden wollten alle gern ein bemaltes,gewelltes Sonderexemplar. Da fällt mir noch ein: Der anwesenden Presse, drei Männer und eine Frau, war es besonders wichtig, mit Klaus Staeck zu sprechen und ihn zu fotografieren und zu filmen. Kirsten durfte aber auch was sagen, sie war ja die Künstlerin mit der Ausstellung. Ist wohl ein bekannter Effekt der allerdings bei mir die Frage aufwirft, woran das wohl liegt. Wie kann man so unhöflich sein und völlig scharf darauf, den berühmten Künstler und Akademiepräsidenten zu interviewen (nichts gegen Dich, Klaus), wenn es um etwas ganz anderes geht, nämlich die Ausstellung Beutekunst in Eisenhüttenstadt. Gut, im Ergebnis war es letztlich in Ordnung, was zu sehen und zu lesen war, dennoch. Trotz Deiner deutlichen Erklärungen, gern auf den obligatorischen Blumenstrauß verzichten zu wollen, bekamst Du ein riesiges Exemplar mit weißen Blumen, das Du den Rest des Tages durch die Stadt und bis nach Berlin getragen hast, die „Braut von Eisenhüttenstadt“. Nach der Veranstaltung Essen mit Allemann im „Deutschen Haus“, mich beklemmen solche Namen irgendwie, besonders im Osten, war aber sehr lecker und lauschig. Herr Preuß, dieser großartige Museumsdirektor, hat uns dann noch eine Busfahrt in einem alten Schweizer Postbus angeboten nach Stalinstadt, wir waren ja im OT Fürstenberg. Ein Teil unserer Gruppe hat den Vorschlag begeistert aufgenommen, andere mussten mit einem weinenden Auge nach Berlin zurück und konnten nicht mitfahren. So haben sie den Rest des Abenteuertages verpasst. Für die Zukunft: Reisen mit Klöckner Tours IMMER für den ganzen Tag einplanen, es wird viel geboten! Stephan fand, es sei wie die Magical Mistery Tour, was ein Spaß! Laut hupend fuhr der Busfahrer und in diesem wackligen Gefährt durch dieS tadt und hat bei jedem Hupen gegrüßt wie Königin Beatrix respektive Erich. Hatten leider Pech mit dem Dokuzentrum DDR Alltagskultur, die machten zu und waren nicht flexibel genug für 20 Minuten längere Öffnung, also bisschen durch die Stadt zu Fuß. Begeisterung über Architektur und große Verwunderung, wo sich die 30.000 Einwohner verstecken, wir haben nämlich nur ca. 20 Menschen gesehen. Herr Preuß erklärte später, das sei einer der ersten schönen Wochenendsommertage, da seien alle im Garten. Schließlich weiter im Bus zum Bahnhof, SEV, kam aber keiner. Der nächste fuhr um 18:10 was bedeutete, noch ne halbe Stunde warten zu müssen. Dann war es nicht der SEV sondern der Tuckerbus, erst 19.00 in FFO. Dafür erzählte der Busfahrer Klaus, dass seine Mutter im Ausweis noch Stalinstadt stehen hätte, was insbesondere im Ausland für einige Verwirrung sorge und alle Bemühungen, den Namen ändern zu lassen, gescheitert seien. Hieß damals Stalinstadt und nicht anders und dort sei sie geboren, nicht im späteren Eisenhüttenstadt. In FFO angekommen zum Bahnsteig geeilt und unterwegs stellt Thilo fest, dass auf der Anzeigetafel SEV nach Berlin angezeigt ist, konnte das? Es konnte. Das Informationspersonal der Bahn sah keinen Sinn darin, uns freundlich aufzuklären, im Gegenteil. Toiletten? Hat's hier nich, fragen se da mal. Der Bus soll warten, wie stell'n se sich das vor? Muss aber warten weil Bedürfnisse. Fährt der dann nach Fürstenwalde und von da in den nächsten Bus nach Berlin? Was denken Sie denn, NATÜRLICH fährt dort der Regionalexpress! Ich finde übrigens die Wortzusammensetzung von Regional und Express äußerst irreführend. Die Menschen mit den Bedürfnissen haben sich durchgesetzt, ein weiterer Bus wartete dann, fast hätten sich welche geprügelt glaub ich, die Nerven waren mittlerweile bei einigen ein wenig angespannt. Irgendwann half nur noch singen auf der Weiterfahrt mit dem SEV, Bolle und so; immerhin waren wir nach dreieinhalb Stunden zurück in Berlin.Irgendwo hab ich noch die Liste, durch welche Dörfer wir alle gefahren sind, Mandfred Butzmann hat's auch aufgeschrieben. Der Rest unserer durch verschiedene Ausstiegsbahnhöfe reduzierten, tapferen und mittlerweile mit Berliner Boden unter den Füßen wieder zuversichtlichen Truppe ist dann noch asiatisch essen gegangen –Mittagessen war ja lang her – und hat sich über diesen wunderbaren, erstaunlichen und ereignisreichen Tag gefreut. Am meisten hat mich beeindruckt, dass diese so unterschiedlichen Personen, die sich kaum kannten, sich so gutverstanden haben, Extremsituation hin oder her. Was heißt verstanden, sie sind ich begegnet, haben sich aufeinander eingelassen, ausgetauscht, gemeinsam eine Ausstellung einer Freundin besucht und das nicht etwa Samstag Abend um die Ecke, sondern 1,5 Stunden von Berlin entfernt (eigentlich). Ist selten, zumindest kein Allgemeingut, diese Solidarität, mir war' jedenfalls ganz warm
ums Herz und ist es noch, wenn ich dran denke. Sind jetzt wie eine Gang, die ein gemeinsames Abenteuer teilt und trotzdem hat sicher jedeR etwas eigenes, was er als Besonders mitnimmt. Freundschaft!
Claudia Jansen
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