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BeuteKunst II - Das Bild ist so hässlich!  2012-09-23 – 17:12:44

Lahmann: Was soll das denn?

Kirsten: Was meinst du?

Lahmann: Dieses neue Bild.

Kirsten: Sieben. Und?

Lahmann: Und Rettungsringe.

Kirsten: Nullen.

Lahmann: Was soll das?

Kirsten: Eine Sieben mit Neun Nullen, 7 Milliarden, die ungefähre Anzahl der Menschen, die zurzeit auf der Welt leben.

Lahmann: Aber wie kommst du drauf?

Kirsten: Schuld sind Douglas Gordon und Hannes Kater, wir waren doch letzte

Woche bei der Pressekonferenz.

Lahmann: Ach, weil beide Herren es wichtig fanden, zu erwähnen, dass sie

gezeugt haben. Das war doch nett.

Kirsten: Eher überflüssig. Kann gar nicht verstehen, was das bedeuten soll.

Lahmann: Na, zumindest bedeutet es, dass sie sich nicht dafür schämen, dass sie

ein Privatleben haben.

Kirsten: Wahrscheinlich fanden sie, dass das sie interessanter macht. Dabei hatten sie doch schon freiwillige Zuhörer. Na ja, mich hat das umgetrieben. Es ist schwierig.

Lahmann: Was?

Kirsten: Immer wieder mal komme ich in unangenehme Situationen, wenn mir jemand

vorwirft, dass ich keine Kinder bekommen habe.

Lahmann: Warum eigentlich? Selbstverwirklichung? Karriere?

Kirsten: Na Danke. Nein, ich hatte keine Beziehung, in der Kinder logisch gewesen wären. Ich habe es drauf ankommen lassen, aber offenbar nicht herausgefordert. Schlimm ist das für mich nicht. Es gibt viele Menschen. Viele Kinder. Und bestimmt jede Menge Leute, die als Eltern besser geeignet sind. Auch seltsame Tantchen - 4 Neffen - wie ich haben ihre Funktion im großen Spiel. Wenn ich mir Überbevölkerung vorstelle, dann erinnere ich mich an einen Freitagabend in der Notaufnahme der Charité, da war ich gegen eine Glastür

gerannt, hatte ziemlich viel Blut im Gesicht und ein dickes blaues Auge. Stundenlang wartete ich da zwischen allen anderen Leidenden. Die Schmerzen waren nicht schön, aber der Schreck war schlimmer. Am schlimmsten waren aber die Personen, die nicht aufhören wollten, auf die beiden diensttuenden jungen Ärzte einzureden, um schneller dranzukommen. Voll war es. Ein Wettstreit: wer kann die eigenen Schmerzen am besten dramatisieren? Trotzdem ging es ziemlich klar nach Notwendigkeit und Reihenfolge der Ankunft. Besonders deutlich erinnere ich mich an einen jungen Mann, der Wochen vorher sich die halbe Hand mit Böllern abgeschossen hatte, und nun in der Notaufnahme versuchte, sich härtere Schmerzmittel zu besorgen, weil er noch auf eine Party wollte. Die

Geschichte von den abgeschossenen Fingern des Elektrikerlehrlings, wie es dazu

kam, was das bedeutet und dass er trotzdem Feuerwerk toll findet habe ich mehrfach gehört. Er hat sie jedem anderen Unfallopfer erzählt. Ohne Gnade. Dann hat er randaliert, weil eine Frau mit einer gebrochenen Schulter nach einem Überfall vor ihm behandelt wurde. 

Lahmann: Aber dieses hässliche Bild.

Kirsten: Hässlich?

Lahmann: Hast Du also deine Frustration über nicht geborene Kinder in dem Bild verarbeitet?

Kirsten: Ich glaube eher, dass mein Unbehagen eine Hauptrolle spielt. 2050 sollen es ungefähr neun Milliarden Menschen sein. Es fällt der Welt schwer, allen Sieben Milliarden ein einigermaßen erträgliches Leben zu bieten. Kann das besser werden? Das ängstigt mich.

Lahmann: Das Bild ist so hässlich!

Kirsten: Wer hat bestimmt, dass Bilder schön sein müssen?


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