Was ist ein Bringsel?
Ein Bringsel ist zum Beispiel das Stöckchen, das ein Mensch wirft, damit der Hund es zurück bringen kann.
Wissenschaftlicher erklärt zum Beispiel hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Bringsel
Wie kam es zu diesen Bringseln der Künstler?
Einen kurzen Text dazu im blog
Künstler: Reinhard Doubrawa
Titel: Gut gemacht!
Jahr: 1997
Technik: Holz, lackiert
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Reinhard Doubrawa:
Künstler: Anette Hurst
Titel: Sirius
Jahr: 1997
Technik: Spülbürste, Leuchtfarbe
100,00 €
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Anette Hurst:
Künstler: Uwe Esser
Titel: Reberzus
Jahr: 1997
Technik: Springseil, Gummi, Kunststoff
100,00 €
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Uwe Esser:
Künstler: Jürgen Jansen
Titel: Gebiß
Jahr: 1997
Technik: Keramik, glasiert
100,00 €
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Jürgen Jansen:
Künstler: Brigitte Jurack
Titel: Liebesknochen
Jahr: 1997
Technik: Holz, Keramik, Rosendekor
100,00 €
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Brigitte Jurack:
Künstler: Kirsten Klöckner
Titel: Handy
Jahr: 1997
Technik: Handschuh, Sand, Schlüsselanhänger, Schlüssel
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Kirsten Klöckner:
Künstler: Lahmann
Titel: Gelsenkirchner
Jahr: 1997
Technik: Holz, teilweise lackiert
100,00 €
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Künstler: Gregor Russ
Titel: Lutschbone
Jahr: 1997
Technik: Seife, Hühnerknochen in Acryl
100,00 €
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Gregor Russ:
Künstler: Wieland Schmiedel
Titel: Bringsilkon
Jahr: 1997
Technik: Silikon
100,00 €
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Künstler: Annette Sense
Titel: Gefahren-Bringsel
Jahr: 1997
Technik: Stahl, gequetscht, lackiert
100,00 €
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Annette Sense:
Künstler: Rolf Schneider
Titel: Handle with care
Jahr: 1997
Technik: Glas, Gummi
100,00 €
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Künstler: Klaus Staeck
Titel: Extrawurst
Jahr: 1997
Technik: Holz, lackiert, Sägeblatt
100,00 €
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Klaus Staeck:
Matthias Kampmann
Werfen und Holen im Sein
Das Stöckchen und die Kommunikation zwischen Hund und Mensch
Wer niemals mit Hunden gelebt hat, wird beim Nachdenken übers Stöckchenwerfen schnell naheliegende Assoziationen entwickeln und ins Klischee verfallen. Geht nicht anders. Denn das sieht ja auch immer so seltsam aus: Stets aufs Neue und ohne Unterlass werfen Frauchen oder Herrchen Stöckchen oder Bällchen, und Hündchen, nimmermüde, rennt, apportiert, rennt, apportiert, rennt, apportiert. Wahrhaft ein Zwang, sogleich an den Mythos von Sisyphos zu denken. Beim Zuschauen erleidet man Tantalos-Qualen. Der Wunsch taucht auf, diesen Vorgang zu stoppen, aber das verbietet einem die Freiheit des anderen, selbst wenn der oder die mit seiner oder ihrer Töle nerven und man eigentlich nur kurz im Park die Frühlingsruhe genießen oder seinen morgendlichen Fitnesslauf absolvieren wollte. Das ist die eine Seite, das Abteil derer, die zwar auch leben, aber eben ohne Hund, was nicht dasselbe ist, als mit einem Hund zu leben. Was also der hochtechnisierte, vierbeinerlose Städter, ansichtig des Hunde-Menschen-Tuns, imaginiert, wenn er bei seinen Freiluftaktionen mit der Smartwatch während seiner Leibesübungen die Datenbanken der digitalen Körperfresser mit ziemlich persönlichem Zeugs füttert, um den Versicherungsunternehmen bei weiterer Elaborierung des Krankenkassensystems eine enorm treffsichere Waffe gegen ihn in die Hände zu legen, das gibt es bei dieser Tätigkeit, wird sie einmal einer Tiefeninterpretation unterworfen, in keiner Weise. Hundemensch und Menschenhund sind nämlich, frei nach Friedrich Schiller, nur dort genau solche Mischwesen, wo sie sich im Stöckchenspiel vereinen. Zu diesem seltsam monotonen Sport werden nicht einmal Zeitmessgeräte zurate gezogen, um eine sportliche Spannung qua tabellarischer Dokumentation im eigenen Gesichtsbuchprofil aufzubauen. Der Hunde-User nutzt außerdem niemals eins dieser Zählgeräte, wie sie Zugbegleiter und Museumsaufsichten einsetzen, um ihre Kunden numerisch zu erfassen, also um das tägliche Quantum eines Lauf-Finde-Bring-Erfolgs zu erfassen. Nein, das Ganze ist von außen betrachtet etwas Literarisches und an den Sehnsuchtsorten im öffentlichen Raum bisweilen ein Ärgernis. Doch aus der Sicht des Hundemenschen sieht das ganz anders aus. Gehe ich in den Park und habe meine einskommafünf Stunden Mittagsrunde vor mir, trainiere ich nun keineswegs meinen linken Wurfarm, damit ich Zahlen habe, mit denen ich einen runtastischen Spaziergang in meine Online-Peergroup-Plattform posten kann, um damit die nächsten 157 Gummipunkte im Rahmen des smarten und stets globalen Spiels "Wer ist das dümmste Marketing-Target" gewonnen zu haben. Es entrollt sich hingegen ein elaboriertes Kommunikationsprojekt, das einerseits die Voraussetzung hat, dem Tier möglichst viel Bewegung zu verschaffen, andererseits die Hund-Mensch-Bindung zu stärken, und vielleicht sogar drittens dem Hund im steten Erneuern des Abhängigkeitsverhältnisses zu signalisieren, wer der Rudelboss ist und bleibt. Ach ja, und außerdem lernt man stets voneinander sowohl motorisch als auch intellektuell, ja ganze juristische Bezüge hinsichtlich des Vertragswesens ließen sich vom Fallbeispiel eines Morgenwurfs abstrahieren. Das sind absolut praktische Ziele und Zwecke, und wer in diesem Kontext über das Vergebliche allen Tuns nachdenkt, ist viel zu verkopft. Ja, denn Stöckchenwerfen ist reine, glasklare Kommunikation zwischen Kohlenstoffeinheiten auf zwei und vier Beinen. Also mitnichten so etwas Lebensfernes wie Pixelschubserei oder elektrisch animierte Elektronenstimulanz von umweltzerstörenden Materialien im schlankrechteckigen Hosentaschenübergrößenformat.
Manchmal jedoch ist mit Blick aufs Stöckchenwerfen der Wunsch der Vater der Gedankenspiele. Meine längst verstorbene, inniglich geliebte Hündin Patty, ich brauche – kein Witz – nur an sie zu denken, und die Tränen der Sehnsucht fließen, zählte zu der auserlesenen Spezies der Jagdtiere. Ein aus Spanien stammender edler Straßenhund der Rasse "English Pointer", Fellfarbe "liver", kein perfekter Körperbau gemäß Zuchtmerkmalshandbuch des FCI, aber eine Beautyqueen. Dieser Vorstehhund, der seiner Auffassung nach kein orthodoxer zu sein brauchte, denn er tat alles andere, als auf die Beute in rassetypischer Starre zu zeigen, hatte stets seinen eigenen Kopf – auch mit Blick auf den bevorzugten Freizeitsport von Menschenhunden und Hundemenschen. Dennoch machte sie mich stolz, wenn sogar "les chasseur" in der Provence sie bestaunten für ihre Anmut, und mir war es dann egal, wenn sie die Nase bei der Mitteilung rümpften, dass das Tier niemals professionell als Jägerin arbeite und arbeiten werde. Also aus Menschensicht, denn Patty war auf jeden Fall ein absoluter Laufprofi, selbst wenn ihre Enten-, Fasan- oder Karnickelhetzjagden stets ineffizient und vor allem erfolglos verliefen. Sie war wunderbar exaltiert und bisweilen griechisch-antik in ihrer Hybris, sich gegen die Götter aufzulehnen, etwa wenn sie sich nicht zu schade war, in ihren jungen Jahren auf eine Herde mäßig eingezäunter Jungbullen bellend loszugehen, was mich und einen Freund damals, bei einer unvergesslichen Wanderung aus dem winterweißen Spreewald heraus, in eine lebensbedrohende Bredouille brachte. Ich bin der festen Überzeugung, dass die gewagtesten Abenteuer meiner Zeit als Erwachsener durch Patty inszeniert wurden. Wir haben sie alle irgendwie gemeistert. Bevor sie also aus dem Tierheim in die damalige Kleinfamilie kam, kursierte die Frage meiner hundeerfahrenen Ex-Frau immer wieder um einen Kernaspekt: "Bist du dir sicher, dass du einen Jagdhund willst." Ja, den wollte ich. Nein: Diese eine und keine andere Hündin wollte ich. Es gibt solche Momente spontaner Sympathieausströmung, love at first feel oder so, und Patty, mit ihrem weißen Fell und den leberfarbenen Kuhflecken darauf, hat dieses von außen betrachtet doch sehr einseitige, subjektive Empfinden von uns damals nie bereuen müssen. Ihr Leben verlief in geordneten Bahnen, und sie bekam, nachdem sie bereits mehrmals in Deutschland vermittelt, aber immer wieder ins Tierheim zurückgegeben wurde, neben einer Reihe von strategisch über den Wohnraum verteilten Körbchen stets die notwendige Aufmerksamkeit, Futter, Zuneigung und naturgemäß hinreichend Auslauf. Und auch ich habe geworfen und geworfen und geworfen. Zumindest zu Anfang und gelegentlich wieder. Aber Patty war anders als die meisten Hunde, denen man auf den Spaziergängen begegnet, und das sind ja stets eine Menge. Wenn ich mit ihr an der Leine losmarschiert bin und wir unsere Freilaufstrecke erreichten, hatte ich bis zu dem Zeitpunkt trotz Tricks und Hundeschule längst wieder einen langen Arm. Denn die Gute hatte etwas von einer Katze und ließ sich im Freien niemals so wirklich Vorschriften machen. Mal hörte sie hervorragend auf die Kommandos, dann wieder, es war himmelschreiend – beziehungsweise ich schrie in den Himmel, gar nicht, und ich musste sie beispielsweise aus einem Wehr zupfen, weil sie wieder einmal dem Reiz der Enten nicht widerstand, aber den Rückweg nicht schwimmen wollte oder konnte; wer weiß das schon. Ganzkörpernässe für alle inbegriffen.
Die Versuche, das Tier daran zu gewöhnen, Stöckchen oder Bällchen zu holen, endeten wie stets: mal so mal so. Heißt: An praxistaugliche Anwendung während der Hunderunden war niemals ernsthaft zu denken. Mal brachte sie ein Stöckchen. Meistens jedoch rannte die braun-weiß gefleckte Hübschheit hinterher, schnüffelte kurz am Objekt und streunte ihrer Nase nach, um dann irgendwann zurückzukommen. Man konnte einen ganzen Wald werfen, der sich dann im Abwegigen anhäufte. Es ist faszinierend, aber in der Präsenz zweier voneinander verschiedener Erkenntnissubjekte, Hund, Mensch, in einer Handlungssituation, dem Stöckchenwerfen, mutiert das abwesende Erkenntnisobjekt, das geworfene Stöckchen, das Stöckchen an sich, zum Medium der Erkenntnis. Damit aktualisiert sich nebenbei Platons "Höhlengefängnisgleichnis". Wenn man also weiß, dass die einzige Passion seines geliebten Tiers das Hetzen von Feder- und Niederwild, von Fasan oder Hase ist, lebt man zwar stets in der Hoffnung, das Tier werde mit der Zeit und zunehmendem Alter ruhiger, was auch zutraf, doch schaut man über Jahre hinweg mit Wehmut auf die anderen im Park, deren praktischer Alltag schlichtweg entspannter – abgesehen vom arg belasteten Wurfarm – verlief, als mit einem planlos jagenden Hochleistungshund. Natürlich habe ich mich dann bisweilen – Vanitas – an die Sinnlosigkeit meines Tuns erinnert gefühlt, ganz aufgehoben oder aufgegangen in der Bedeutungssphäre des antiken Mythos. Aber es bedurfte endlich dieses Tiers um die Fülle des Sinns hinter dem Stöckchenwerfen zu begreifen, und ich beneidete bisweilen meine Hundemitmenschen, wenn ihre Menschenhunde so freundlich waren, das Kommunikationsangebot von Frauchen oder Herrchen bedingungs- und gnadenlos – "noch mal" – zu akzeptieren. Um also die antikische Tragweite des Stöckchenwerfens zu verstehen, ist es wahrhaft vonnöten, mehr als bloß einen Zugang zum nächsten Stadtpark zu bekommen.
© Matthias Kampmann, Barbing im Januar 2016
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Falko Hennig
Ein alter Hund erinnert sich
Ich bin überzeugt, dass Hunde durch ihre Jahrtausende von Domestizierung eigentlich keine Tiere, sondern Menschen sind. Sie sind sogar noch mehr Menschen, als Menschen selber. Fast alle Eigentschaften, die Menschen ausmachen, findet man bei Hunden noch etwas stärker. Mit 46 Jahren bin ich selber viel eher ein alter Hund als beispielsweise ein alter Fuchs oder ein alter Hase.
Der erste Hund, an den ich mich erinnere, war Schnüffel, ein brauner Langhaardackel im Holzhaus meiner Omi in der Walter-Rathenau-Straße in Ludwigsfelde. Aber ich war selbst dafür zu klein, jemals für ihn Stöckchen zu werfen.
Über Rassen lässt sich philosophieren, Spitze habe ich als widerliche Kläffer und Beißer erlebt, Spaniel als durchweg freundlich, Dackel als wehleidig und schauspielerisch begabt. Oft humpeln sie, um Mitleid zu erregen, aber vergessen, mit welchem Bein und humpeln dann auf dem falschen weiter.
Was Hunde allgemein und speziell für eine Sensation sein können, das wurde mir mit Hexe bewusst. Hexe war der Rauhaar-Dackel, der nach Schnüffel der letzte Hund meiner Oma wurde.
Meine Eltern, meine Schwester und ich fuhren im Trabant Kombi nach Berlin zu einer Dackelzüchterin, wo die Dackel wie Kaninchen in kleinen Käfigen gehalten wurden und dort suchten wir Hexe aus. Wie niedlich sie war! Ich glaube, auch der ärgste Hundefeind wird mit sympathischen Gefühlen kämpfen müssen, wenn ihm ein Dackelwelpe anvertraut wird. Wir hatten sie in einem Körbchen auf dem Schoß, einen Namen hatte sie noch nicht, und fuhren zurück und es war klar, dass Omi sich in das Tier verlieben würde und genauso kam es. Sie war es auch, die das neue Hundekind Hexe taufte. Das war ein üblicher Hundename, ich glaube es geht dabei alphabetisch zu. Also mit jedem Wurf müssen die Namen der Welpen mit einem anderen Buchstaben beginnen. Leider kann man Omi nicht mehr fragen, weil sie schon in die ewigen Jagdgründe eingegangen ist.
An den Kindergarten habe ich nicht viele gute Erinnerungen, bis auf den Tag, als mein Vater und Hexe die Kindergruppe zu einem Ausflug in den Wald begleitete. Der junge Hund war die Sensation und die Begeisterung war bei uns ziemlich grenzenlos. Wieso nicht jeder Kindergarten zumindest einige Hunde hat, ist nicht zu verstehen. Die einzige Erklärung ist, dass es nicht um das Wohl der Kinder, sondern um die Bequemlichkeit der Erwachsenen geht.
Hexe war zwar eine Rauhaardackel-Dame, aber sie war etwas aus der Art geschlagen, weil ihr Fell eher ziemlich glatt anstatt rau war. Wenn irgendjemand die Leine in die Hand nahm, flippte Hexe immer aus, sprang wie irre in der Wohnung herum und kriegte sich gar nicht mehr ein. So sehr freute sie sich auf das Spazierengehen und ich durfte häufig allein mit ihr durch Ludwigsfelde, kurz Lu.
Mit einem Hund durch die Stadt zu laufen, machte mich ziemlich erwachsen. Nie im Leben wäre ich oder irgendjemand in Europa damals auf die Idee gekommen, den Hundekot aufzunehmen. In der DDR wurde sowieso aller Müll auf die Straße oder in den Wald geworfen, aber auch in keinem anderen Land hatte man das Geschäft der Hunde als Problem entdeckt. Obwohl, aus New York wurde berichtet, dass dort die Polizei hinter der Hundescheiße her sei. Aber New York war weit weg.
Irgendwann entwickelte Hexe gewisse psychische Probleme, Neurosen oder so und das schlimmste war ihre Scheinschwangerschaft. Es ging so weit, dass sie sogar Milch gab, ohne wirklich Junge zu bekommen. Eine sehr viel schlimmere Krankheit war die Dackellähme, sie konnte ihre Hinterpfoten nicht mehr bewegen und eigentlich bedeutete es ihr Ende. Aber Omi packte sie in warme Decken, über Tage, Wochen, Monate und kurierte sie so. Aber Treppen durfte sie nicht mehr steigen. Das verursachte schließlich den schlimmen Beinbruch meiner Oma, nach dem sie nie wieder richtig laufen konnte. Hexe musste ja immer die Treppe hoch oder runter getragen werden. Und dabei ist Omi gestürzt, ihr Bein war für immer hin.
Hexe hatte viele Unarten, die unangenehmste war, dass sie alle Füße leckte. Im Sommer, wenn man Sandalen anhatte oder barfuß lief, dann leckte sie unterm Tisch die Füße und das fand niemand angenehm. Sicher eine Art Unterwerfungsgeste...
Vielleicht war sie von Omi verzogen, denn die Mutter meines Vaters unterhielt sich viel mit Hexe. "So?", sagte sie zu dem Hund, "Du willst mir ein Geheimnis verraten?" Dann hielt sie ihr Ohr nahe an Hexes Schnauze und Hexe leckte ihr die Ohren. "Ach!", sagte sie, "Das ist ja interessant, das hätte ich nicht gedacht." Und Hexe leckte und leckte und Omi war der einzige Mensch, der die Dackelsprache verstand.
Der zweite Hund meiner Kindheit war Cora, eine Mittelschnauzer-Dame in der Farbe pfeffer-salz. Sie gehörte zur Familie meiner Tante mütterlicherseits. Ihr Schwanz und ihre Ohren waren kupiert, also abgehackt. Etwas, was meine Oma vehement ablehnte. Auch Cora hatte ich gelegentlich in Obhut. Sie hatte einen letztlich unstillbaren Hunger und es war klar, wenn man sie einmal so viel essen ließe, wie sie wollte, würde sie platzen. Mit Cora habe ich durchaus oft Stöckchen werfen gespielt. Erstaunlich fand ich, wie einfach sie sich täuschen ließ. Wenn ich ausholte und so tat als würfe ich, den Stock aber in der Hand behielt, bemerkte sie es nie sondern rannte los und suchte vergeblich.
Nur im Fernsehen sah ich Hunde, Lassie oder Boomer, die sich nicht auf diese Art ins Bockshorn jagen ließen und den Werfer weiterhin ansahen.
Hund sind, daran habe ich keinen Zweifel, menschlicher als ihre Vorfahren, die Wölfe, aber auch viel dümmer. Man hat kürzlich experimentiert, wenn Hunden in einem Zwinger etwas zu fressen hineingeworfen wird, frisst es der stärkste und die schwächeren gehen leer aus. Wölfe dagegen fressen gemeinsam und jeder kriegt was ab.
In Russland hat man etliche Generationen zahme Füchse gezüchtet, mit jeder Generation wurden sie verspielter und weniger aggressiv, bekamen dazu die Schlappohren und wurden insgesamt immer hundeähnlicher.
Es ist ausgeschlossen, dass ein Wildtier auf die Idee käme, etwas Geworfenes zu apportieren. Bei Hexe und Cora habe ich mit Sicherheit auch Stöcke geworfen, Tennisbälle bestimmt nicht oder nur sehr selten, die waren zu rar und hatten bei dieser Verwendung eine zu kurze Lebensdauer.
Es waren natürlich normalerweise Stöcker oder Stöckchen, die gerade herumlagen. Je weiter das Holz flog, desto größer schien das Vergnügen der Tiere. Wie ähnlich sich Hunde und Menschen sind kann man auf jedem Fußballplatz beobachten.
Der Mensch legt das Ende des Stöckchenwerfens fest, wenn es nach dem Hund ginge, würde es niemals enden. Und da der Hund das älteste Haustier des Menschen ist, hätten viele Entwicklungen dann niemals stattfinden können. Wir hätten also, wäre es nach dem Hund gegangen, heute keine Autos, kein Internet, keine Atomwaffen, ja nicht einmal Reißverschlüsse und Gasheizung.
Der Mensch beobachtet den Hund immer beim Apportieren, das scheint für den Menschen der tiefere Sinn des Ganzen. Seit einigen Jahrzehnten gibt es Fernsteuerungen, aber als es sie noch nicht gab, war das Stöckchenwerfen und Beobachten des danach jagenden Hundes das einzige, was so ein bisschen in die Richtung ging.
Das Phänomen ist vielleicht dem des Jojos nicht ganz unähnlich, wenn auch sozial die Interaktion zwischen Hund und Mensch um ein Vielfaches komplexer ist. Daran sollte man immer denken, wenn man sich lustig macht übers Stöckchen werfen, dass das Auf und Ab des Jojos verglichen damit sehr traurig, einsam und verzweifelt ist.
Das wichtigste Kriterium bei der Auswahl der Wurfstöcke ist die Erreichbarkeit, nimmt der Mensch einen Ball oder anderen Gegenstand aus der Tasche und wirft ihn, hat er ausgewählt. Kommt der Hund mit einem Stock oder ähnlichem in der Schnauze an und wirft ihn mit eindeutigen Gesten vor den Menschen, hat er die Wahl getroffen. Je nach Mentalität beginnt mal der Mensch, mal der Hund mit diesem Spiel. Ich vermute, dass dieses Spiel vor der praktischen Verwendung von Hunden bei der Jagd stand. Was der Hund mit Stöckchen und Ball lernte, konnte er bald auch mit Hühnern oder anderem Federvieh und die nächste Stufe war die Nutzung des Hundes als Apportier, das geschossene Enten oder Kleinwild aus unwegsamen Gelände holte und dem faulen Jäger vor die Füße brachte.
Da fällt mir noch ein Lieblingswitz meiner Jugend ein: Zwei Tierfreunde treffen sich, sagt der eine: "Mein Hund kann miauen." Sagt der andere: "Das glaube ich nicht!" Er nimmt den Hund, packt ihn in die Tiefkühltruhe, holt ihn gefroren wieder heraus und zersägt ihn mit der Kreissäge: "Miiiaaaauuu!" "Okay", sagt der andere, "aber meine Katze kann bellen." "Glaub ich nicht!" Er übergießt die Katze mit Benzin und zündet sie an: "Wuff!"
© Falko Hennig, Berlin 2016